DGNB, LEED und BREEAM sind als Zertifizierungen für Neubauten mittlerweile flächendeckend bekannt. Die Systeme können aber auch bei Sanierungen angewendet werden. Lohnt sich das? Sanierungen sind an sich schon komplex. Sollte man den Mehraufwand wagen? Im Interview spricht Dipl.-Ing. André Janert, Leitung Vorverkauf bei ROCKWOOL, über Herausforderungen und warum sich eine zertifizierte Sanierung trotzdem auszahlen kann.
André Janert: Eine zertifizierte Sanierung bringt zahlreiche Mehrwerte mit sich. Ein zentraler Aspekt ist die Tatsache, dass ein Nachhaltigkeitsnachweis zugleich der Qualitätssicherung dient. Zertifizierungssysteme bieten einen strukturierten Rahmen, um die Nachhaltigkeit von Sanierungen ganzheitlich zu bewerten und die Modernisierung nach aktuellen Standards zu dokumentieren. Die strukturierte Analyse hilft außerdem gezielt bei der Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten. Alle Systeme bieten dabei eigene Bewertungskataloge für Sanierungen, da viele Neubaukriterien bei Bestandsgebäuden nicht 1:1 anwendbar sind.
Auch die Wirtschaftlichkeit spielt eine entscheidende Rolle: Eine Zertifizierung trägt zur Wertsteigerung bei, bietet Marktvorteile, wie eine bessere Vermietbarkeit, und wirkt sich positiv auf das Image sowie auf ESG-Ratings aus. Außerdem führt sie in der Regel zu einer Reduzierung der Betriebs- und Bewirtschaftungskosten, denn nachhaltig sanierte Gebäude sind entsprechend energieeffizient. Auch die Gebäudenutzer profitieren: Aspekte wie Raumluftqualität, Barrierefreiheit und thermischer Komfort sind zentrale Bestandteile der Bewertungssysteme. Gerade die Luftqualität im Innenraum ist ein hohes Gut in unserer Zeit und zertifizierte Bestandsgebäude bieten häufig deutlich mehr Aufenthaltsqualität. Mineralische Dämmstoffe, wie Steinwolle, unterstützen diesen Ansatz und eignen sich ideal für nachhaltiges Sanieren.
Bild: © Behrendt & Rausch Fotografie
Welchen konkreten Beitrag ROCKWOOL Produkte leisten, lässt sich dabei schnell und einfach mit dem ROCKWOOL Ökobilanz-Rechner ermitteln. Fundierte Ökobilanzierungen brauchen Zeit und Erfahrung. Unser Online-Tool bietet zeitsparende Unterstützung und wertvollen Input für die projektspezifische Berechnung. Natürlich kann man unsere Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs / Environmental Product Declarations) aber auch einfach herunterladen.
André Janert: Zertifizierungssysteme sind komplex und stellen hohe Anforderungen an Bauherren und Planer. Wir sprechen hier aus Erfahrung, denn bei der Sanierung unseres eigenen Verwaltungsgebäudes haben wir eine DGNB-Zertifizierung angestrebt – und wurden nach Fertigstellung 2021 mit dem DGNB-Zertifikat in Gold für nachhaltige Büro- und Verwaltungsgebäude ausgezeichnet. Besonders herausfordernd sind in der Regel Einschränkungen, die sich durch die vorhandene Bausubstanz ergeben. Beim ROCKWOOL Firmensitz in Gladbeck sollte zum Beispiel die Geschosshöhe erhalten bleiben, um so viel graue Energie wie möglich einzusparen. Außerdem entschieden wir uns für eine Aufstockung, um zusätzlichen Raum zu schaffen. Weitere Hürden bei Projekten können beispielsweise statische Grenzen bei einer nachträglichen Dämmung oder die technische Infrastruktur sein.
Ein Kraftakt ist auch die Dokumentation und Nachweisführung bei einer zertifizierten Sanierung. Informationen zu Materialien und Konstruktionen aus der Bauzeit sind oft lückenhaft. Wir mussten zum Beispiel zahlreiche Dokumente aus den 70er Jahren aus Archiven „ausgraben“. Mit Denkmalschutzauflagen wird die Umsetzung bestimmter Anforderungen in der Regel noch komplexer. Wenn die Originalsubstanz – etwa Fachwerk oder Fenster – erhalten bleiben soll, sind energetische Verbesserungen begrenzt.
Nicht zu vernachlässigen ist der wirtschaftliche Faktor: Zertifizierungen bringen oft zusätzliche Kosten mit sich. Einsparungen im laufenden Betrieb und mögliche Fördermittelzuschüsse können diese jedoch relativieren. Mit Einbindung in eine BEG-/QNG-Förderung rechnet sich beispielsweise die Zertifizierung häufig, da der Zuschuss die Mehrkosten übersteigt. Eine individuelle Kosten-Nutzen-Analyse sollte immer frühzeitig erfolgen.
Herausfordernd ist auch der Zertifizierungsprozess selbst. Planer, Bauausführende, Auditoren und Betreiber müssen in engem Austausch stehen, Prozesse koordinieren, Nachweise managen und Informationen einholen – der Aufwand ist hoch. Bei Fragen bieten wir gerne Hilfestellung vom ROCKWOOL Team an: Nicht als Auditoren, aber mit fundierter Erfahrung und detailliertem Wissen rund um Nachhaltigkeit und Zertifizierungen mit ROCKWOOL. Unser technischer Service steht immer gerne Rede und Antwort.
André Janert: Traditionell wurden Zertifizierungen eher bei Prestigeobjekten eingesetzt, um ein besonders hohes Nachhaltigkeitsniveau demonstrativ sichtbar zu machen. Heute hat sich das Bild gewandelt: Nutzer, Investoren und politische Akteure legen immer mehr Wert auf nachhaltig geplante und umgesetzte Gebäude. Nachhaltigkeitskriterien gewinnen durch die Taxonomie-Verordnung, ESG-Ratings und Bankenanforderungen an Bedeutung für die gesamte Branche. Ein Zertifikat hilft, Regulatorien und Marktanforderungen zu erfüllen. Deshalb sind Zertifizierungen mittlerweile auch für reguläre Projekte interessant. Zudem sind Fördermittel oft an Nachhaltigkeitsnachweise geknüpft, die über eine Zertifizierung erbracht werden können.
Mit unserer eigenen Sanierung konnten wir zeigen, was im großen Stil möglich ist: Wir sind stolz auf den Modellcharakter unseres Projekts, das Erreichen des Goldstandards und die zahlreichen Verbesserungen für Mitarbeiter, Gebäudenutzer und die Umwelt. Aber auch „kleine“ Sanierungen profitieren von mehr Qualität, Transparenz, Wertstabilität und Förderfähigkeit, wenn entsprechende Systeme zielgerichtet angewendet werden. Insofern können bei individueller Planung zertifizierte Sanierungen zur echten Chance für nachhaltige, wirtschaftliche und zukunftssichere Verbesserungen werden.
