Künstliche Intelligenz und Architektur

Nachhaltigkeit, rechtliche Aspekte und das berufliche Selbstverständnis in Zeiten immer schnellerer technischer Entwicklung – Architekt Florian Scheible, Geschäftsführer von Schöne Neue Welt Ingenieure, berichtet im ROCKWOOL Interview aus berufspolitischer Expertensicht, was künstliche Intelligenz für Planungsbüros und die Baubranche heute und in naher Zukunft bedeutet.

Im ersten Teil unseres Gesprächs konnten wir Spannendes über den heutigen Stand des KI-Einsatzes in der Architektur lernen und haben erfahren, dass die Architektenkammern sich intensiv mit dem Thema befassen. 

Wie sehen Sie das zukünftige Potenzial von künstlicher Intelligenz insbesondere in Bezug auf die verschiedenen Leistungsphasen?

Florian Scheible: Grundlage des Nutzwerts der KI ist ihre Datenbasis. Die große Frage im Bauwesen ist, wo diese Daten herkommen. Im Bereich der Haustechnik oder bei Maschinen kann man mit Sensoren arbeiten, in der Bauüberwachung entsprechend Scans anfertigen und diese mit dem Bausoll abgleichen. Dabei kann KI eine Rolle übernehmen: Um welches Bauteil handelt es sich in einer Punktwolke, ist das Bauteil da, wo es hingehört, und ist es das bestgeeignete Bauteil? Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es bei komplexen Bauvorhaben durch künstliche Intelligenz gesteuerte Unterstützung bei Terminplänen gibt. Erkennt die KI Abweichungen und Blockaden, kann sie Terminketten neu organisieren und Vorschläge zur Auflösung der Blockade machen.

Lässt sich jetzt schon einschätzen, welche konkreten Lösungen für Architekten und Planende die Zukunft prägen werden?

Florian Scheible: Das verändert sich jeden Monat. Phänomene wie Midjourney werden bleiben. Das ist ja auch kein Software-Tool im engeren Sinne, sondern eine Engine, die im Hintergrund läuft und von anderen Werkzeugen verwendet werden kann. Ähnliches gilt für ChatGPT. Diese großen Vorreiter werden sicher erst einmal als Produkte erhalten bleiben. Alles andere kommt und geht oder wird weiterentwickelt. Das gilt auch, wenn es beispielsweise um Nachhaltigkeitsziele geht. Ein mitlaufender CO₂-Monitor könnte Planern signalisieren, welche Umweltauswirkungen ein Objekt hat.

Was allerdings bleiben wird, ist der menschliche Einfluss auf den Entwurf. Das ist ein wichtiger Aspekt, man merkt es auch noch am Prompten, an der Art, wie man Fragen an die Systeme stellt. Das ist die Schnittstelle, der letzte Schritt, wo wir als Mensch eine durch künstliche Intelligenz erzeugte Idee noch beeinflussen. Und auch in der KI bleibt dieser Einfluss erhalten, denn ihre Daten wurden ja durch Menschen initiiert.

Die Kategorisierung und Auswertung der Datenbasis, die Strukturierung und die eigentliche Programmierung, all das sind menschliche Einflüsse. Und bei jedem menschlichen Einfluss haben wir eine Fokussierung auf etwas Bestimmtes. Die Person, die das macht, die hat einen kulturellen Hintergrund und Vorstellungen davon, wozu das Ergebnis dienen soll. Die Clickworker haben einen ganz eigenen kulturellen Bezug und so kommen ästhetische und anderweitige Färbungen in Datenbestände, die auch zu Irritationen führen können.

Wie wichtig wird der menschliche Aspekt für die Architektur sein, wenn KI-Assistenzsysteme sich weiterentwickelt haben?

Florian Scheible: Ich glaube, dass zumindest in nächster Zukunft eine Mischung unterschiedlicher Herangehensweisen ausprobiert wird. Aber man wird den Wert menschlicher Arbeit weiter zu schätzen wissen. Man wird das Zusammenspiel von KI und menschlicher Arbeit nutzen und man wird bei einzelnen Aufgaben auch froh sein, sie der KI komplett überlassen zu können.

Man kann eine Analogie zur industriellen Revolution ziehen – auch heute freut man sich noch über Handgemachtes, gleichzeitig tragen wir maschinell fabrizierte Kleidung. Einen Mittelweg zu finden, das wird sich über die gesellschaftliche Diskussion ergeben. Da sind wir als Bauschaffende und Planende gefragt, unsere Position zu identifizieren und dann auch einzunehmen. Dazu müssen wir eine Haltung entwickeln. Die EU macht erste Schritte zu einer KI-Gesetzgebung, will diesen Bereich aber sichtlich nicht überregulieren. Es wird sicher zu einem Punkt kommen, wo wir nicht über Gesetze, sondern als Gesellschaft zu einer Lösung kommen müssen, wie unsere Position gegenüber der KI ist.

Die Kernfrage für mich ist dabei: Was sind die Vorteile, die durch den Einsatz künstlicher Intelligenz erzielt werden? Idealerweise geht es darum, einfache Arbeiten noch mehr zu vereinfachen, so dass sie weniger Zeit in Anspruch nehmen, und auf der anderen Seite darum, Fehler zu vermeiden.

Wir danken Ihnen für das dichte und informationsreiche Gespräch!