Mit duktilen Gussrohren und Steinwolle zu einem besseren Stadtklima

Ingrid Lücke, Mülheimer Woche

Ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt am Institut Bauingenieurwesen entwickelt ein marktfähiges und praxisnahes Speicherkonzept zur Bewässerung von Stadtbäumen, die wiederum für ein besseres Stadtklima sorgen und eine wichtige Komponente der Überflutungs- und Hitzevorsorge sind. Die Projektteilnehmer trafen sich nun am Hochschule Ruhr West Campus in Mülheim, um über Aufgaben, Ziele und Timings zu sprechen.

Hitzewellen, extrem lange Trockenzeit, Starkregen und Überschwemmungen – extreme Wetterereignisse als Folge des Klimawandels zeigen deutschlandweit die hohe Vulnerabilität (Verwundbarkeit) der Städte. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt setzt sich mit Anpassungsstrategien an den Klimawandel auseinander: Es geht um Baum-Rigolen-Systeme, grüne Infrastrukturen, um eine wasser- und klimasensible Stadtentwicklung, um Leitungsgräben aus Steinwolle und Gussrohre.

Praxisnahes Speicherkonzept

Das Ziel des interdisziplinären Projektes Boden-Rohr-System als innovatives Element der klimaangepassten Stadtentwässerung, kurz BoRSiS, ist es, ein marktfähiges und praxisnahes Speicherkonzept zu entwickeln. Daher werden neben Professoren der Hochschule Ruhr West und der Hochschule Bochum zwei Industrievertreter, ein Baumökologe sowie die Stadt Detmold in das Projekt eingebunden.

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Bei dem Treffen der Projektteilnehmer am HRW Campus in Mülheim gratulierte HRW Präsidentin Prof. Dr. Susanne Staude zur Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und wünschte dem Team viel Erfolg. Foto: HRW

Besseres Mikroklima in Städten durch Bäume

Schattenspendende Bäume spielen für ein besseres und (kühleres) Mikroklima in Städten bei zunehmender Sommerhitze eine wichtige Rolle. Um sie zu wässern werden immer mehr Baumrigolen eingesetzt. Rigolen sind (unterirdische) Speicherkörper zum Beispiel aus Kies, wo das Wasser im Porenvolumen gespeichert wird, Mulden sind Vertiefungen auf der Oberfläche, welche für die Speicherung des Wassers dienen. Dort kann das (Stark-)Regenwasser aber nur kurz gespeichert werden, da das Speichervolumen auf den Baumstandort begrenzt ist.
Das Ziel von BoRSiS ist es, im Leitungsgraben von Rohren unter den Gehwegen oder Straßen Wasser zu speichern und zeitverzögert zur Bewässerung von Stadtbäumen abzugeben. Durch die Nutzung des Leitungsgrabens steht ein erweiterter Speicher für Niederschlagswasser und für den Wurzelraum zur Verfügung, ohne dass ein zusätzlicher Platzbedarf auf der Oberfläche (gegenüber Versickerungsmulden) erforderlich ist.

Abkehr von der bisherigen Praxis

Um den bisher ungenutzten Leitungsgraben überhaupt als Speicher für Niederschlagswasser und Wurzelraum nutzen zu können, ist eine Abkehr von der bisherigen Praxis erforderlich. Derzeit werden Leitungsgräben hoch verdichtet, um eine stabile Bettung der Rohre zu gewährleisten. Wurzeln sollen soweit möglich vom Leitungsgraben ferngehalten werden. Rohre aus duktilem Gusseisen, wie sie von den Mitgliedern des Industriepartners EADIPS®/FGR® e. V. hergestellt werden, können in porenreiche, grobe Schottermaterialien gebettet werden. Sie gelten als wurzelfest, so dass Baumwurzeln in den Leitungsgraben dieses Boden-Rohr-Systems einwachsen können ohne das Rohr zu schädigen. Außerdem wird ein neuartiges Material für den Leitungsgraben getestet.

Höheres Speichervermögen

Der Industriepartner Rockflow hat einen Leitungsgraben aus Steinwolle entwickelt, der gegenüber Kieskörpern mit 95 Prozent ein höheres Speichervermögen besitzt.
Neben wasserwirtschaftlichen Fragestellungen werden auch geotechnische (Lastabtrag der Verkehrslasten, Kontakterosion) ökonomische (Kosten-Nutzen-Analysen, Fragestellungen zur Abwassergebühr bei gemeinsamer öffentlicher und privater Nutzung) und ökologische (Anforderungen durch die Bäume, Analyse der Wirksamkeit) Aspekte berücksichtigt.

Ganzheitlicher, innovativer Lösungsansatz

Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird ein ganzheitlicher, innovativer Lösungsansatz entwickelt, dessen praxisnahe Umsetzung durch die Praxispartner noch erhöht wird.
Der besondere Mehrwert im Projekt liegt somit insbesondere in der interdisziplinären, ganzheitlichen Herangehensweise zur Lösung wichtiger gesellschaftlicher Problemstellungen als Folge des Klimawandels. Es werden grundlegende offene sowie praxisrelevante Fragen zur Umsetzung des Boden-Rohr-Systems untersucht.
Das Projekt ist prädestiniert für ein Promotionsvorhaben zum ganzheitlichen Starkregen- und Klimaanpassungskonzept sowie zum Regenwassermanagement inklusive eines Monitoringkonzeptes.

Information

  • An dem Verbundprojekt sind die HRW Institute Bauingenieurwesen und Wirtschaft, die Hochschule Bochum (Wasserbau und Hydromechanik), die Fachgemeinschaft Euopean Association for Ductile Iron Pipe Systems (EADIPS), das Unternehmen Rockflow und die Stadt Detmold beteiligt.
  • Die geplante kooperative Promotion wird durch das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen begleitet. Konsortialführer ist Prof. Dr. Markus Quirmbach vom Institut Bauingenieurwesen.
  • Das Projekt ist bis September 2024 geplant. Finanziert wird es neben Eigenanteilen der Industriepartner durch eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Forschung an Fachhochschulen“ unter dem Förderkennzeichen 13FH002KA0.
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